Die Mauer: WLOE Report aus Israel und Palästina

Seit August 2002 ist Sarah S. freiwillig bei Organisationen in Israel und Palästina tätig gewesen. Organisationen, die sich darum bemühen, ein Ende der israelischen Besatzung zu erreichen und auf gerechte und lebensfreundliche Lösungen des Konflikts durch gewaltfreie Proteste, Pressekampagnen sowie Durchsetzung der Menschenrechte hinzuarbeiten.

 



1. Teil: Einführung zum Thema Mauer
11. November 2003


Im Juni 2002 begann die Konfiszierung von Land und das Abholzen der Bäume, damit die "Israelische Mauer" gebaut werden kann.

Von den offiziell vorgesehenen 650 km, erstrecken sich nur 11 km von der Mauer entlang der ursprünglichen Grenze der palästinensischen Gebiete  (Die Grüne Linie), die 1967 errichtet wurde. Der Hauptteil zieht sich in Zickzack Linien durch wertvolles Agrarland mit natürlichen Rohstoffen, welches eigentlich zu den palästinensischen Dörfern gehört und in anderen Gebieten schneidet die Mauer 6 km tief in die West Bank. Bis zu ihrer Vollendung wird die Mauer an bis zu 50% der West Bank angeschlossen sein und damit viele palästinensische Gemeinden isolieren und in verarmte Bezirke, Enklaven und "Militärzonen" verwandeln. Momentan, in Phase eins der Entwicklung, erleben Palästinenser, die in der nordwestlichen Region der West Bank leben (wo der Bau fast fertig ist), die verheerenden Folgen der psychischen sowie ökonomischen Schwächung durch den Verlust ihres Landes, der Rohstoffe und der Möglichkeit sich frei zwischen den Gemeinden bewegen zu können.

Obwohl die israelische Regierung  neue de facto Grenzen mit dieser Mauer errichten wird, bestreitet sie vehement, dass damit mehr Land an den Staat Israel angeschlossen werden soll. Die israelische Regierung hat außerdem klar gemacht, dass sie die Situation vieler, im neuerschaffenen "Niemandsland" zwischen der Grünen Linie und der Mauer, eingeschlossenen West Bank Bewohner nicht ändern wird.  Ungefähr 250, 000 Palästinenser, die in den Gebieten um die Mauer leben, werden von der West Bank getrennt, aber gleichzeitig nicht als offizielle Einwohner Israels akzeptiert.



Fakten zur Mauer
Die Mauer aus Beton ist 8 Meter hoch (24 Fuß), damit zweimal so hoch wie die Berliner Mauer.
Die Pufferzone auf jeder Seite der Mauer ist zwischen 30 bis 100 Meter breit  (die Größe eines halben Fußballfeldes), damit es genug Platz gibt für: Militärpatrolien, Überwachungskameras, Scharfschützenposten, Minenfelder, Bewegungsmelder, Gräben, einen 3 Meter hohen Hochspannungszaun und Sandwege, auf denen man Spuren verfolgen kann.
Diese Pufferzone macht den Weg frei für eine großangelegte Vertreibung der Bevölkerung, da sie nahe an Häusern, Läden und Schulen errichtet wurde. Die Konfiszierung von Land, die strikten Beschränkungen in der Bewegungsfreiheit und die Zerstörung werden dazu führen, dass 6500 Jobs verloren gehen.
Die Mauer kostet ungefähr 2.8 Millionen Dollar pro Kilometer und zusammen mit den früheren Kosten sind es schätzungsweise über 2 Milliarden Dollar bis zur Beendigung des Baus.
Der Gaza Streifen hatte bereits seit 1980 ein System von Trennungszäunen, die ihn abschirmten.
Informationen zu diesem Report wurden  folgenden Quellen entnommen:
Halper, Jeff. "Obstacles to Peace – A Critical Tour of the Jerusalem/West Bank Interface", PalMap GSE, August 2003.

Kampagne, die Mauer zu stoppen: www.stopthewall.org

Website des israelischen Militärs über die Mauer: www.seamzone.mod.gov.il



2. Teil: Internationaler Protest Tag gegen die Mauer – Die West Bank
9. November 2003

Früh am Sonntag Morgen nahm ich mir ein Taxi mit einem Mitglied des Internationalen Women Peace Service's und wir fuhren zu der West Bank Stadt Haris, circa 20 km westlich von Nablus. Wir mussten dreimal umsteigen, doch schließlich kamen wir zu dem Haus in einer Rekordzeit von ein und eine halbe Stunden.

Das war ein wichtiger Tag für die Frauen in Haris und Mas-ha. Sie hielten ihre erste nur von Frauen organisierte Demonstration ab. Ziel der Demo war es, zu einem Haus zu laufen, das zwischen israelischen Siedlungen und der Trennungsmauer eingeschlossen ist. Das Haus gehört einer Palästinenserin und weil die geplante Führung der Mauer direkt an ihrer Haustür vorbei geht, hat die israelische Regierung vorausgesetzt, dass sie ihr Haus verlässt. Aber Palästinenserinnen sind stark und resolut, und sie und ihre Familie blieben. Um ihr das Leben zu erschweren, ließ die Regierung ein Teil der Mauer aus Beton vor ihrer Tür bauen (sonst besteht die Mauer in den Gebieten aus Drahtzäunen und Stacheldraht). Dieser Betonklotz versperrt ihr die Sicht auf Mas-ha und ihre Gemeinde.

Sobald die palästinensischen Demonstrantinnen ankamen, war klar wer die Wortführerin der Unternehmung sein wird. Eine starke, energische Frau mit dem Namen Selwa* stand in der Mitte der Gruppe und koordinierte die Route, die wir bis zum Checkpoint nehmen wollten. Ein paar Minuten später störten einige palästinensische Männer unsere Runde und begannen uns vorzuschreiben, wie wir zu demonstrieren hätten. Sie nahmen  uns unsere Schilder weg und dann begann eine langwierige Verhandlung zwischen den Männern und Frauen, wobei sie versuchten rauszufinden, wie man die Demonstration am besten abhalten sollte.  

Mit den Männern, die uns nun führten, waren wir zwanzig Demonstranten, die nach Mas-ha wanderten um dort noch mehr Demonstrantinnen abzuholen. Wir waren ungefähr vierzig, als wir Hand in Hand an den Gräben und Stacheldrahtzäunen entlang liefen. Ich fühlte mich atemlos, als eine Palästinenserin ganz unerwartet meine Hand in ihre nahm. Wir marschierten auch den Rest des Weges Hand in Hand zusammen, während sie über ihre Familie und ihr Leben in Palästina sprach.

Ungefähr zehn Meter vor dem Checkpoint, riefen uns die Männer zu, wir sollten anhalten und sie gaben uns unsere Plakate zurück. Diesen Zeitpunkt nutzte Fathma und fragte die Männer, ob sie uns Frauen erlauben, den Protestmarsch zu führen.  Die Männer stimmten erstaunlicherweise zu und so marschierten wir, mit Stolz und Erleichterung, weiter zum Checkpoint, wo uns bereits vier israelische Soldaten erwarteten. 

Die Verhandlungen mit den Soldaten gingen ziemlich schnell, da sie uns nur untersagten, den Checkpoint zu passieren, wenn wir eine israelische Siedlung  betreten wollten, was nicht unsere Absicht war. An dem Haus angekommen, wurden wir von 4 - 5 nationalen und internationalen Journalisten begrüßt, die Fotos von uns machten, während wir uns an den Händen hielten und die Palästinenserinnen Protestlieder sangen. Im Hintergrund überragte uns die Asphaltmauer, aber wir fühlten uns erleichtert und glücklich, dass wir diesen Protest durchgeführten.  Israelische Sicherheitsbeamte und Soldaten fuhren alle fünf Minuten an uns vorbei um uns ihre Anwesenheit zu zeigen, aber wir drehten uns so, dass wir einander ansahen, weil wir unsere Präsens und Solidarität als wichtiger empfanden. Man könnte sagen, dass das Ganze nur ein kleiner Protestmarsch war, der insgesamt wenig bewegt hat. Allerdings war es von großer Bedeutung für Selwa und für die Frauen in Mas-ha und Haris, weil es ein erster Versuch war, ihren Widerstand, ihre Ängste und ihre Wut über das zunehmend brutale Leben unter der Besatzung öffentlich zu äußern. Und weil sie den Protest als Erfolg empfanden, bin ich sicher, dass es nicht ihr letzter gewesen sein wird. 

(Anhang:  Am 26. Dezember 2003 demonstrierten Palästinenser, Israelis und Leute internationaler Herkunft an dem Tor, das durch die Mauer in das Dorf Mas-ha führt. Als die israelischen Aktivisten versuchten Teile des Tors abzureißen, schossen die Soldaten zuerst in die Luft, dann eröffneten sie das Feuer auf die Aktivisten und verletzten einen jungen Mann am Knie.

*Name wurde geändert


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