Bericht von der Women and Life on Earth "Frauenfrühstücksrunde"
(über Frauen, Öko-Landwirtschaft und -Essen), 28. April 2004
Referentin: Silvia Bender, Leiterin des Berliner Büros von Bioland,
zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Verarbeiterbetreuung
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Stand
der Regelungen in Deutschland und EU
Seit dem 18. April 2004 besteht eine EU-weite Kennzeichnungspflicht
für Nahrungsmittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten.
Ausgenommen sind Produkte von Tieren, die mit GVO-Produkten gefüttert
wurden. Auch "zufällige" Verunreinigungen fallen nicht unter die Kennzeichnungspflicht.
Verstöße gegen die Verordnung sind bisher straffrei, weil noch keine
Einigung über die Strafe erreicht wurde.
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Form der Kennzeichnung
Gentechnisch veränderte Zutaten sind mit einem kleinen Sternchen in der
Inhaltsstoffliste des Produkts zu versehen. Wenn der Verbraucher kein
Sternchen findet, weiß er immer noch nicht, ob nicht i.S. der og. Regelung
doch vielleicht gentechnisch veränderte Produkte enthalten sind. Verbraucherfreundlicher
wäre ein alternativer Ansatz, nach dem wirklich gentechnik-freie Produkte
als solche gekennzeichnet sind. Die Umsetzung ist riskant, weil illegal
(Seehofer-Verordnung). Einige Firmen wollen es trotzdem versuchen. Und
zwar in Form von Aufklebern, um nicht die ganze Verpackung verändern zu
müssen. Dann muß man abwarten, ob sich jemand daran stört. Bisher gibt
es keine einheitliches, gemeinsames Symbol. Bioland propagiert ein Symbol
in Anlehnung an die Schilder für Landwirte "Wir arbeiten ohne Gentechnik."
Demeter u.a. ziehen nach.
Der konventionelle Bereich tut noch nichts. Bisher gibt es 30,000 Schilder.
Die Formulierung "arbeiten ohne" wurde deshalb gewählt, weil Verunreinigungen,
die aus anliegenden GVO-Feldern kommen, in Zukunft nicht komplett ausgeschlossen
werden können. Eine Formulierung wie "Gentechnik-frei" könnte somit Kritik
anziehen, wie etwa die "Dreckkampagne" aus den Achtzigern.
Richtlinien für Saatgut
Es fehlt noch eine Saatgutrichtlinie. Der aktuelle Vorstoß, eine Verunreinigung
von bis zu 0,7 % zuzulassen, würde bedeuten, dass pro Hektar mehrere 100
qm verunreinigt sein können. Bei Soja wurde die Grenze auf 0,5% herabgesetzt.
Die Kommission, die auch die Macht hat, ihre Vorschläge durchzusetzen,
spricht sich für 0,3-0,5% bei anderem Saatgut aus. Bioverbände wollen
erreichen, dass Saatgut mit über 0,1 % Verunreinigung nicht mehr als gentechnikfreies
gehandelt werden darf. Dies entspricht der aktuellen Messbarkeitsgrenze,
man spricht dann von "technisch rein". Mit steigender Sensitivität der
Nachweistechnologie würde nach diesem Vorschlag dementsprechend die Grenze
für die Bezeichnung als "technisch rein" sinken. Bioland verzichtet auf
Selbstverpflichtung, um den Staat nicht aus der Verantwortung zu entlassen.
Verfügbarkeit
von Bio-Saatgut und fiese Tricks der Saatgutkonzerne
Trotz aller Bemühungen kommt es immer noch zu Engpässen beim Bio-Saatgut,
weswegen auch im Bioanbau häufig konventionelles Saatgut eingesetzt werden
muss. Die Saatgutherstellung spielt sich in einem komplexen System ab,
unterliegt extrem strengen Richtlinien und ist sehr aufwendig. Die Zertifizierung
wird z.B. schon aberkannt, sobald zwei Unkrautpflanzen auf dem Acker stehen.
Allein von Bio kann kein Züchter überleben, weil der Umsatz zu gering
ist. Gerade in den Bereichen, wo nicht viel Saatgut gebraucht wird, lohnt
sich die Herstellung von Bio-Saatgut einfach nicht. Beispielsweise Hopfen
kann man nicht vermehren, wenn in der selben Region etwas anderes mit
Hopfen gemacht wird. Zur Sicherstellung der Qualität muss der Bauer die
Kosten für die Kontrolle tragen, was natürlich an die Verbraucher weitergeleitet
wird. Die Überprüfung, ob überhaupt Verunreinigung vorliegt, ist billiger
als zu messen, wie viel genau drin ist. Die wenigen großen Saatgutzüchter
wie Monsanto & co. haben großes Interesse dran, GVO zu verbreiten.
Kürzlich wurden unaufgefordert kostenlose Probepäckchen mit genetisch
verändertem Saatgut an Landwirte verschickt, vor allem in Bayern. Vermutlich
ist dies Teil einer Strategie, um den Widerstand der Bevölkerung gegen
GVO zu brechen. Die Konzerne spekulieren wahrscheinlich darauf, dass durch
die Aussaat dieser Proben die Landschaft dann ohnehin so belastet sein
wird, dass eine allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber irgendwelchen Grenzwerten
entstehen könnte. Eigentlich dürfen solche Proben gar nicht verschickt
werden, weil es noch keine wirkliche Regelung in der Saatgutverordnung
gibt. Bioland versucht eines der Päckchen als Beweismaterial habhaft zu
werden, um rechtlich gegen diese Praxis vorgehen zu können. Die Marketing-Praktiken
der Saatgutkonzerne ähneln denen von Drogendealern, die ihre Konsumenten
von sich abhängig machen.
Gentechnisch verändertes Saatgut und die Politik
EU-Vorgabe ist, dass die Gesetzeslage bis zum 1.8. geklärt sein muss.
Eine EU-Harmonisierung wird es nicht geben. Die EU gibt lediglich Leitlinien
zur Sicherung der Koexistenz vor, die in den einzelnen Ländern gesetzlich
umgesetzt werden sollen. Ähnlich wie bei der EU-Bioverordnung ist abzusehen,
dass es 26 verschiedene Regelungen geben wird. Renate Künast hat einen
Gesetzesvorschlag zum Umgang mit GVO vorgelegt, "mit dem man leben könnte."
Durch ein Papier der CDU mit 150 Veränderungsvorschlägen, die sich teilweise
auf einzelne Wörter beziehen, wird der Entscheidungsprozess blockiert.
So wird verhindert, dass die Praxis des Umgangs mit GVO überhaupt definiert
wird. Nach Willen der CDU sollen Landwirte, die mit Gentechnik arbeiten,
nicht für Schäden haftbar gemacht werden können, z.B. durch Verunreinigungen
der Ernte von gentechnikfreien Bauern. Es gibt auch keine Versicherungsgesellschaft,
die bereit wäre, diese Art von Schäden zu versichern, was es sonst bisher
nur bei Atomkraftwerken gegeben hat. Statt dessen setzt sich die CDU für
die Einrichtung eines verbraucherfinanzierten Haftungsfonds ein, wobei
die Verbraucher wohlgemerkt zu 70% gegen Gentechnik sind. Solche Fonds
können eingerichtet werden, um Vorhaben von "hohem gesellschaftlichen
Interesse" abzudecken. Das Gesetzespaket soll aufgeteilt werden, in einen
abstimmungspflichtigen und einem nicht abstimmungspflichtigen Teil. Die
Gesetze zur Haftungsfrage müssen auf jeden Fall im Bundesrat abgestimmt
werden. Insgesamt ist abzusehen, dass das Gesetz nicht so streng wird,
wie erhofft. Der Ausgang ist ungewiss, weil auf den Verhandlungen im Bundesrat
die Verhandlungen über die Gentechnik-Gesetze mit anderen Themen verstrickt
sind, d.h. dass eventuell ein Entgegenkommen der Opposition in anderen
Bereichen gegen ihre Zustimmung bei der Gentechnikverordnung getauscht
wird.
Wann kommt
das gv Saatgut?
Jedes Saatgut muß erst von der EU zugelassen werden, dann kann es in Deutschland
auf die Saatgutliste kommen, was in der Regel eins zu eins passiert. Bisher
sind auf EU-Ebene neun Sorten zugelassen, und weitere Anträge liegen massenweise
vor. Prinzipiell muß für jede Sorte Unbedenklichkeit für Gesundheit und
Umwelt nachgewiesen werden. In Deutschland ist in diesem Jahr noch kein
kommerzieller Anbau von gv Saatgut zu erwarten, weil die Sorten noch nicht
weit genug entwickelt bzw. zugelassen sind. Am weitesten fortgeschritten
sind Mais und Raps. Gv Raps stellt für Imker eine besondere Bedrohung
dar, die ihre Bienen trotz aller Koexistenz nicht an die Leine nehmen
können. Eine starke Imker-Lobby gegen Raps könnte womöglich erreichen,
dass in der EU gv Mais gar nicht zugelassen wird. So weigert sich z.B.
Belgien komplett gegen den gv Raps. Dennoch ist momentan noch nicht abzusehen,
wie die Verhandlungen ausgehen werden und wie die Wettbewerbsvorteile
und -nachteile eingeschätzt werden. Aus anderen Ländern gibt es bereits
Erfahrungen mit den verheerenden Folgen des Anbaus von gv Pflanzen, die
beispielsweise zum Aussterben bestimmter Schmetterlingsarten in der betroffenen
Region geführt haben. In vielen EU ländern, z.B. Skandinavien und den
Beitrittsländern, gibt es noch nicht einmal nennenswerte Diskussionen
zum Anbau von GVO. Womöglich haben andere Länder noch gar keine Saatgutlisten
wie Deutschland.
Testanbau in Deutschland
In Deutschland wird der Versuchsanbau vom Max-Planck Institut kontrolliert.
Das Institut teilt Flächen zu, und gibt bekannt, von welcher Firma auf
wie viel Fläche wie viel von welcher Sorte angebaut wird. Die tatsächlichen
Orte werden allerdings geheim gehalten. Angeblich besteht ein hohes gesellschaftliches
Interesse daran, dass diese Versuche stattfinden.Es gibt auf jeden Fall
Versuchsfelder auch in Brandenburg. Eine geplante Großversuchsanlage in
Sachsen-Anhalt ist am Widerstand der Bauern gescheitert.
Wie gehen Landwirte mit dem Thema Gentechnik um?
Nach ersten Umfragen scheinen in Brandenburg jeweils 10% der Landwirte
für bzw. gegen den Anbau GVO zu sein, der Rest unentschieden. Am 18.3.
gab es erste größere Kundgebungen und Demos, die fortgesetzt werden sollen.
Es gibt inzwischen zahlreiche Initiativen "gentechnikfreie Zonen", wobei
sich Landwirte - durchaus auch konventionell arbeitende - einer Region
zusammenschließen, und erklären, dass sie nicht mit Gentechnik arbeiten.
In Bayern sind elf, in Baden-Württemberg einige, in der Uckermarck und
Märkisch-Oderland eine solche Initiative bekannt. Info dazu gibt
es im Internet unter www.fairenachbarschaft.de. Diese Zonen müssen im
Rahmen der Koexistenz akzeptiert werden, zunächst für ein Jahr. Momentan
haben sie keine rechtliche Bindung, sondern vor allem politisches Gewicht.
Am 11.6. soll das "Aktionsbündnis gegen Gentechnik" in Brandenburg offiziell
gegründet werden, mit BUND als Hauptbeteiligtem. Die Veranstaltung mit
Schwerpunkt auf Gentechnikfreie Regionen und Landwirtschaft und zur Sensibilisierung
für die Thematik wird in Potsdam stattfinden. Der BUND plant eine Kampagne,
wenn die ersten Produkte auf den Markt kommen. Greenpeace und Foodwatch
setzen McDonalds unter Druck, gentechnikfreie Burger anzubieten. McDonalds
hat Importe von US-Weizen aus Angst vor Verunreinigung gestoppt. Dies
könnte ein Hinweis darauf sein, dass selbst Konzerne auch Kundenwünsche
ernst nehmen. Die US-Verbraucher haben große Hoffnungen in den Widerstand
der EU gesetzt, der aber leider nicht so stark ist wie erhofft. Einzelne
Länder, z.B. Angola, haben sich bisher gegen den GVO Anbau gewehrt, aber
auch ihr Widerstand wird nicht stand halten, wenn die EU versagt.
Hindernisse für den Handel, der ohne GVO arbeiten will
Für die Hersteller
und Händler ist es nicht einfach, komplett frei von GVO-Produkten zu bleiben,
da alles miteinander verstrickt ist. Beispielsweise ist eine Rewe-Kampagne
für gentechnikfreies Schweinefleisch gescheitert, weil der größte Futterlieferant
Raiffeisenpunkt sich weigerte, gentechnikfreies Futter zu liefern. Das
wichtige Futtermittel Soja ist inzwischen bis zu 56% gentechnisch verändert,
v.a. Flächen in Argentinien. Bei Transporten ist es ebenfalls schwer,
eine saubere Linie durchzuhalten. Es ist bisher unklar, inwiefern Verunreinigungen
durch Tierfütterung verbreitet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt können die
Langzeitfolgen unmöglich realistisch eingeschätzt werden.
Was können Verbraucher gegen Gentechnik tun?
-An erster Stelle keine Produkte mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen
kaufen (Brille mitnehmen!).
-Im Geschäft sagen,
dass man solche Produkte nicht will.
-Einkaufen anhand einer von Greenpeace
erarbeiteten Liste von Unternehmen die sich verpflichtet haben, ohne Gentechnik
zu arbeiten.
-Wahljahr in Deutschland! Kommunal-, Landtags-, Bundestagsabgeordnete konfrontieren.
Den Entscheidungsträgern klar mitteilen, dass man gegen den Anbau von
GVO ist, z.B. mit einer Postkarte von save our seeds, oder anderen Briefen,
die verschiedene Initiativen vorbereitet haben.
-Den Verbraucherschutz kontaktieren.
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