gentechnik



Maria Mies: „Wozu brauchen wir das alles?“





Maria Mies, emeritierte Soziologieprofessorin, ist eine langjährige Forscherin und Aktivistin im Kampf gegen die neoliberale Globalisierung, insbesondere gegen die Gentechnik. Sie ist Mitbegründerin des ersten internationalen Frauennetzwerkes gegen Gen- und Reproduktionstechnik 1985 und hat in vielen ihrer Publikationen auf die Gefahren der Gentechnik hingewiesen. 1996 gründete sie mit Vandana Shiva das globale Netzwerk „Diverse Women for Diversity“, das sich weltweit für den Erhalt der kulturellen und biologischen Vielfalt einsetzt. Zudem hat sie die Gegenkonferenz und die Protestaktionen während der ABIC- Konferenz (Köln, 12.-15.09.04) mit initiiert.
Dort trat sie am Sonntag auf und wies darauf hin, dass die grüne Gentechnik
letzendlich nur zum Vorteil der großen Konzerne und aus rein ökonimischen Gründen betrieben wird.


Photo: http://www.arbeiterfotografie.de/galerie/reportage-2004/index-2004-09-13-koeln-abic.html

Ich möchte anfangen mit einem Satz, den ich 1985 bei unserem ersten, internationalen, feministischen Anti- Gen- Kongress in Bonn  geprägt habe. Er heißt: „Wozu brauchen wir das alles?“ Und gestern abend fragte eine Schülerin, die versammelten ABIC-Wissenschaftler hier in der Kölner Messe dasselbe: „Wozu brauchen wir das alles?“ Und sie hatten keine Antwort.

Sie haben keine Antwort auf diese Frage. Sie wiederholen seit 1985   immer nur dieselben Standard- Argumente: „Gentechnik ist notwendig, um den Hunger in der dritten Welt zu bekämpfen.“ Oder: „Sie ist absolut ungefährlich, Eure Befürchtungen sind irrational. Und außerdem ist sie ja schon überall da.“ . Es hat sich seit 1985 an den Begründungen der Gentechniker und vor allem der  sogenannten Life Science Konzerne  nichts geändert. Sie wiederholen die selben Mantras wieder und wieder.  Das einzige, was sich geändert hat ist die Politik, vor allem in Deutschland. Damals waren die Grünen noch strikt gegen die Gentechnik. Auch die SPD war nicht ganz dafür. Heute hat die rotgrüne Regierung ein neues Gentechnik-Gesetz erlassen, dass den globalen Bio-Konzernen Tür und Tor öffnet.

Wir haben damals unseren Kongreß ganz bewußt nicht nur auf die Gentechnik in der Landwirtschaft beschränkt. Wir wussten , daß die Gentechnik die Grenzen zwischen den Arten überschreitet. Die Gentechnik, die Pflanzen verändert ist die selbe Gentechnik, die tierische Organismen verändert. Es ist die selbe Gentechnik, die Menschen verändert, die Frauen ihrer Gebärfähigkeit  enteignet. Deshalb prägten wir damals den  Slogan: „Erst die Kuh, dann du!“

Dieser Slogan ist immer noch richtig. Was sie mit den Pflanzen machen,machen sie mit den Tieren und mit den Menschen. Denn jetzt sind sie dabei, transgene Pflanzen zu erfinden, die menschliche Gene enthalten. Doch die Frage, wozu wir das alles brauchen, können die Gen-Konzerne bis heute nicht beantworten. Damals habe ich diese Frage so beantwortet: Nicht wir, die Verbraucher in Nord und Süd brauchen diese Technologie. Das Kapital braucht sie,  weil es weiter wachsen will und muss.

Alle wissen es, und auch die Herren da oben in den Messehallen wissen, daß die Leute keine Gen-Nahrung  wollen. Achtzig bis neunzig Prozent der Menschen in Europa wollen dieses „Frankenfood“, wie es in England heisst,  nicht. Gestern abend bei der Podiumsdiskussion der ABIC habe ich die Frage gestellt: „Wir leben angeblich alle hier in einer freien, globalen Marktwirtschaft, nicht wahr?  In einer solchen Marktwirtschaft herrscht das Dogma, dass Angebot und Nachfrage den Markt bestimmen. Wenn also achtzig bis neunzig Prozent der Konsumenten in Deutschland und in Europa kein Gen-Food essen wollen, warum hören Sie denn dann nicht auf? Da ist doch kein Markt!“

Darauf hatten diese Herren keine Antwort. Auch der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfahlen hatte keine Antwort. Aber sie waren sehr, sehr beunruhigt. Später wird  der Biobauer Lothar Gothe noch sprechen, er hat genau diese Frage „Wozu brauchen wir das alles?“ von einer anderen Seite her gestellt: aus der Perspektive der Produzenten, der Bauern? Die Bauern wollen  das Gen-Zeug nicht, die Konsumenten wollen es nicht. Wieso muß es  denn dann durchgesetzt werden?

Mir ist eins klar geworden, besonders jetzt mit der neuen Offensive, die die ABIC mit  Monsanto, Syngenta, Bayer Crop Science, BASF   und vielen anderen Gentech-Betreibern in Europa starten wollen:

„Wenn die Leute  nicht wollen, dann müssen sie zu ihrem Glück gezwungen werden.“ Das nennt man, seit wir von Johan Galtung diesen Begriff gelernt haben, ‚strukturelle Gewalt’. Wir werden zu Zwangskonsumenten, die Bauern  zu Zwangsproduzenten gemacht. Wir werden nachher, wenn das durchgeht, was die Herren da oben planen, nichts anderes mehr in unseren Supermärkten finden als Genfood. In allen möglichen Vermischungen.

Der Zwang, die strukturelle Gewalt bedeuten nicht, dass hinter jeder Verbraucherin ein Polizist steht, der sie zum Kauf von Gen-Food zwingt. Der Zwang geht aus:

1.       vom neoliberalen globalen Markt. Wenn alle Grenzen für den Handel mit Agrarprodukten weltweit geöffnet sind, wie es die WTO und das Abkommen über Agrarhandel (AoA) verlangen, wer will dann noch kontrollieren ob GMOs (gentechnisch manipulierte Organismen) in irgendwelchen Lebensmitteln sind? Wie will man kontrollieren und kennzeichnen, wenn irgendwo auf der Welt Gen- Soja angebaut und hierher importiert wurde und in irgendein Nahrungsmittel  hineingemischt wurde? Das ist praktisch nicht möglich. Es ist also eine bewußte Irreführung, wenn die Bundesregierung sagt: „Wir kennzeichnen  alles und dann wißt Ihr Bescheid und könnt  wählen, ob Ihr Gen- Nahrung kauft oder nicht. Ihr habt die Wahlfreiheit.“ Jeder weiß, daß das ein Bluff ist. Praktisch wird das nicht so funktionieren.

2.        Das zweite ist die strukturelle Gewalt,  die  die Grundlage der Gen-Technologie selbst ist. Gentechnik ist, wie die Atomtechnik ist nicht rückholbar. Wenn lebendige Systeme einmal gentechnisch verändert, bzw. manipuliert wurden, dann können sie nicht mehr „repariert“ werden. Diese Veränderungen vererben sich von Generation zu Generation.

3.       Mehr noch: Die Gentech-Veränderung beschränkt sich nicht auf die Pflanze, die man so „verbessern“ wollte, sondern greift über auf Nachbarpflanzen, auch auf die wilden Vorfahren dieser Pflanzen. Das führt zu einer gentechnischen Verseuchung, der auf die Dauer nichts mehr entgeht. Was einmal verseucht ist, dann ist es verseucht und verseucht andere Pflanzen, die bisher gentechnik-frei waren.  Seit Tschernobyl kennen wir die Langzeitfolgen solcher technologischer Eingriffe. Genauso ist es mit der Genmanipulation von Pflanzen.

4.       Trotz aller Macht haben diese großen Life Science Konzerne  ein Problem: Sie preisen diese Technologie  als Zukunftstechnologie an, durch die der Agrarfortschritt gefördert und Arbeitsplätze geschaffen würden. Sie wollen sie jetzt endlich in Europa  durchsetzen. Aber die Leute glauben ihnen nicht. Sie werden keinen Markt hier haben. Das wurde gestern abend bei der Podiumsdiskussion auch sehr deutlich: Wir haben sie sehr verunsichert als wir sagten: „Es gibt keinen Markt hier für Eure Produkte.“ Das ist die Grenze, an die sie stoßen. Einer der Wissenschaftler drohte sogar: „Wenn Europa uns nicht haben will, gehen wir eben nach China. Dort empfängt man uns mit offenen Armen.“

Er erwähnte nicht, dass es auch in China kritische Wissenschaftler gibt, die auf die Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft hinweisen.

Aber ich muß trotzdem noch erwähnen, dass es  nicht nur die Bundesregierung ist,  die durch ihr neues Gentechnik-Gesetz den Monsantos & Co Tür und Tor geöffnet hat. Es ist auch nicht nur die EU-Kommission in Brüssel, die das Moratorium aufweicht, das bisher verhindert hat, daß gentechnisch veränderte Pflanzen in Europa angebaut werden. Dahinter steht auch die WTO, die Welt-Handels-Organisation und diese hat die EU  verklagt. Sie müsse das Moratorium aufheben. Dieses sei ein Handelshemmnis.  Und Handelshemmnisse dürfen in der neoliberalen, globalen Wirtschaft nicht sein.  Das ist der Grund, warum ABIC jetzt nach Europa, nach Deutschland gekommen ist. Denn gerade Köln, gerade Nordrhein- Westfahlen rechnet sich mit der Gentechnik, dieser sogenannten Zukunftstechnologie noch große Chancen aus. So hat auch der Staatssekretär  aus dem Wirtschaftsministerium gestern gesagt: „Wir müssen für Arbeitsplätze sorgen. Wir brauchen Gentechnik als Zukunftstechnologie, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn wir das nicht tun, dann haben das alle Länder um uns herum und wir haben keinen Wettbewerbsvorteil mehr.“

Da sieht man, es sind ökonomische Gründe, es ist der Profit, um den es geht, aber nicht etwa der Hunger in der dritten Welt, oder die Versorgung der Bevölkerung mit guter Nahrung. Also, das sind Dinge, die wir mitbedenken müssen.

Wenn man allerdings solche Argumente anbringt, bekommt man entweder keine Antwort oder man sagt: „Ihr seid ja alle irrational. Ihr wißt  nicht Bescheid über die Technik, ihr seid nicht informiert.“ So erging es auch unserem Kollegen auf dem Podium gestern abend,  Herrn Afsar H. Jafri aus Indien. Als er berichtete, dass tausende von Bauern durch gentechnisch manipuliertes Baumwollsaatgut, die BT-Baumwolle, in den Ruin und in den Selbstmord getrieben  wurden, hat man ihm einfach gesagt:  „Sie wissen nicht Bescheid.“ Stellen Sie sich das vor!

Also, es ist wirklich Zeit, dass jetzt die Bevölkerung aufsteht. Ich erwarte nicht, daß die Politiker sich ändern. Ich erwarte nicht, daß die Wissenschaftler, die den Konzernen zuarbeiten etwas ändern. Ich hoffe auf die Leute, die die Folgen der Gentechnik in der Nahrung tragen müssen.  Sie werden nachher das Gen-Zeug essen müssen und die Bauern werden es anbauen müssen. Wenn wir uns jetzt nicht wehren.
Bauern und Verbraucher sitzen im selben Boot.

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