WLOE in Deutschland

2005 waren 1000 Frauen gemeinsam für den Friedensnobelpreis nominiert.
Jetzt liegen ihre bewegenden Geschichten vor.

Das Buch "1000 Peacewomen Across the Globe" stellt die Biografien von ausgewählten Frauen vor, die stellvertretend für die Millionenen von Frauen, die sich täglich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen. Die Portraits erzählen von ihrer Arbeit, den Methoden, Lösungsstrategien und ihren Visionen.


Ruth Weiss, Bosiljka Schedlich, Susan Ahmed, Barbara Gladysch, Maren Haartje

Die Buchpräsentation am 5.12.2005 in Berlin ist von dem Projekt "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005", Women and Life on Earth e.V. und dem Feministischen Institut der Heinrich-Böll-Stiftung organisiert worden. Women and Life on Earth e.V. hat 16 Portraits der Friedensfrauen übersetzt und freut sich, dass die "1000 Frauen"-Projektleiterin Maren Haartje aus Bern und acht der 1000 Friedensfrauen an der Buchpräsentation teilnehmen konnten.
Frau Haartje hat den
FriedensFrauen ihre persönlichen Exemplare des Buches überreichen.
Das Friedensbuch (2208 Seiten, 800 Photos, englisch) kann bei Women and Life on Earth oder Feministisches Institut für 39€ erworben werden.
(Bitte einen e-mail schreiben.)

Moderation: Ute Scheub, freie Journalistin und Publizistin,
Autorin u.a .„Friedenstreiberinnen“ (September 2004).
http://www.utescheub.de/
                    

"Ich hab mich eigentlich noch nie so gefreut auf eine Moderation, weil ich das für so ein wunderbares Projekt halte, so ein inspirierendes Projekt, so ein energiereiches Projekt."

"Es gibt auf der Welt wirklich tausende und hunderttausende von Frauen, die Friedensinitiativen machen; die Mehrheit der Friedensinitiativen ist entweder ganz oder mehrheitlich von Frauen getragen und ich bin so dankbar, dass es zum ersten Mal sichtbar geworden ist in dem Buch und in der Ausstellung. ... Nun sind die Namen in aller Welt."

"Die Mehrheit sind Graswurzelfrauen, die man nicht kennt, und die Geschichten sind so berührend."

Die "Friedensfrauen" haben über ihr Leben und ihre Arbeit berichtet. Hier einige Zitate:

Susan Ahmed, Mitglied der Irakischen Frauenliga, setzte sich gegen die Diktatur Saddam Husseins und gegen die US-Invasionen ein.
Mehr Infos: http://www.womenandlife.org/WLOE-de/themen/frieden/nobelfrauende.html

"Ich bedanke mich vielmals für die Nominierung und die Ehre, aber ich denke, die Ehre gehört den Frauen, die jetzt im Irak richtig gegen diese dramatischen Umstände kämpfen und die ihr Leben jeden Moment verlieren können. Die Frauen, die jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen, in der Hoffnung, dass sie ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dieses Bild des alltäglichen Lebens im Irak, wie Kinder trotz der Terroranschläge jeden Tag in Bagdad in die Schule gehen und weiterlernen, und die trotzdem denken, dass es eine Zukunft gibt."

"Das Land hat alles: Sonne, Wasser, fruchtbare Erde, Öl, aber die Bevölkerung hat davon nie etwas gekriegt."

"Wir haben in der irakischen Frauenlige zusammengearbeitet, um ein besseres Leben für die Frauen zu erschaffen... Seit 1975 arbeiten wir im Untergrund und im Ausland. Wir haben uns von Anfang an gegen diesen Krieg gestellt."

"Wir haben als Iraker immer vor Saddam Hussein und seiner Regierung gewarnt, wir haben immer dagegen gekämpft, wir haben immer versucht, klarzumachen, dass das eine Gefahr für die Region und für die Welt darstellt, aber wir haben keine Reaktionen und kein Verständnis bekommen - weder aus des Westen noch aus dem Osten. Das macht mich manchmal wirklich ärgerlich. (...) Selbst als wir 2003 gegen den Diktator demonstriert haben, haben wir von der deutschen Friedensbewegung keine Reaktion bekommen."

"Die irakischen Frauen bereiten sich jetzt auf die Wahlen am 15.12. vor. Die islamische Regierung, die wir jetzt haben, hat die Lebensbedingungen weiter verschlechtert. Die irakischen Frauenorganisationen haben sich in einer Kampagne zusammengeschlossen, mit den anderen politischen, religiösen, demokratisch-religiösen, liberalen-demokratischen Parteien und den Kommunisten in einer Liste aufgestellt. Wir müssen zusammenarbeiten und hoffen - wir sind von Demokratie und Frieden weit entfernt - dass sich das Leben stabilisiert, dass es Sicherheit und genug zu Essen gibt, Elektrizität und Bildung für die Kinder. (...) Der Irak war immer ein progressiver und säkularer Staat und wir wollen, dass das so bleibt."


Seyran Ates
, ist Rechtsanwältin in Berlin, kämpft gegen Zwangsheiraten und Ehrenmorde. Mehr Infos: (scroll nach unten)
http://www.womenandlife.org/WLOE-de/themen/frieden/nobelfrauende.html

"Auch in meiner Arbeit geht es um Sichtbarmachung. (...) Neben meiner ganz normalen Tätigkeit als Anwältin versuche ich durch mein politisches Engagement den Frauen, für die ich arbeite, ein Gesicht zu geben."

"Ich habe zwei Autobiografien geschrieben, 1983 als knapp Zwanzigjährige die Erste und 2003 meine Zweite. Meinen Ärger und meine Wut habe ich damit zum Ausdruck gebracht, dass sich in den 20 Jahren tatsächlich sehr wenig in Bezug auf Frauenrechte gerade für Frauen, die aus der Türkei hierherkommen, geändert hat."

"Wieso machen wir diese Arbeit? Natürlich, weil wir einen biografischen Hintergrund haben, weil wir eine Geschichte haben, die darauf aufbaut."

"Feministinnen haben sich in diesem Land so viel erkämpft und das hat mich auch am Leben erhalten, das hat mir den Begriff von Freiheit beigebracht. Und für dieses Recht kämpfe ich, dass alle Frauen dieses Recht in Anspruch nehmen können in einem demokratischen Land."

"Ich fordere einen eigenen Straftatbestand Zwangsheirat und ich fordere, dass genau hingeschaut wird: wie leben eigentlich die Frauen in diesem Land?"

"Sexualität ist das Thema: das Gespräch über Sexualität und die freie selbst bestimmte Sexualität der Frauen. (...) Sei es das Kopftuch, sei es die Zwangsheirat, sei es die häusliche Gewalt und als Spitze dann die Ehrenmorde. Es ist die freie Sexualität der Frauen, die kontrolliert werden soll."

"Dies schreie ich denjenigen entgegen, die meinen, aus Toleranzgründen, Liberalität etc. Rücksicht nehmen zu müssen: Sie haben in diesem Land für Freiheit gekämpft: Bürgerrechte, Frauenrechte erkämpft, weil Sie Freiheit des Individuums wollten. Und dieses Recht gestehen Sie doch bitte auch den Menschen zu, die hierher zugezogen sind, auch wenn sie aus anderen Glaubensrichtungen kommen. Die haben auch ein Recht auf Freiheit."


Fatoumata Siré Diakité,
setzte sich aktiv für Frauenrechte in Mali ein, ist zur Zeit Botschafterin von Mali in Berlin.
Mehr Infos:

http://www.1000peacewomen.org/de/html/nominierte/treffer.php?ID=722

"Ich bin eine afrikanische Feministin, die lange in ihrem eigenen Land nicht verstanden wurde und auch in Afrika nicht verstanden wurde. Mir wurde immer gesagt: Du bist uns zu weit voraus, und ich antwortete: Nein, ihr seid einfach zu weit hinterher."

"Mein Kampf für die Rechte der Frauen hat schon sehr früh angefangen, schon zuhause. Ich war schon ein Problem für meinen Vater."

"Als ich begann, mich gegen die Beschneidung von Frauen zu engagieren, wurde ich von Fundamentalisten attackiert. Ich wurde beschimpft, bespuckt, beleidigt, es gab Artikel in Zeitschriften und es wurde in der Moschee eine Fatwa gegen mich ausgesprochen. Schließlich auch eine Reihe von 'Autounfällen', die eindeutig Anschläge waren, denen ich nur knapp entronnen bin. Es verging fast kein Tag, an dem kein Artikel gegen mich erschien, aber da habe ich erst recht gesagt: Ich werde nicht aufhören, ich höre niemals auf, niemals, ich habe keine Angst!"

"Mir wurde vorgeworfen, ich habe Geld vom Westen angenommen, um gegen den Islam zu kämpfen. Ich habe gesagt, ich habe gehört, dass Sie Geld vom Iran bekommen haben, um hier gegen die Frauen zu kämpfen. Ich habe geantwortet, dass meine Würde nicht verkäuflich ist. Der Kampf gegen die Beschneidung ist kein Kampf des Westens. Die Frauen aus dem Westen kennen die Beschneidung nicht, und deswegen ist es unser Kampf."

"Ich führe diesen Kampf seit 15 Jahren und man warf mir vor, ich benähme mich wie eine Weiße. Heute sind 90% der Frauen gegen die Beschneidung, und viele Männer reden mit anderen Männern darüber, dass sie gegen die Beschneidung sind."

"Heute ist das Thema Beschneidung kein Tabu mehr. Männer wie Frauen reden darüber, das Thema ist auf dem Tisch. Jetzt sagen die jungen Männer, dass sie keine beschnittenen Frauen mehr heiraten wollen."

"Der schwedische König hat mich gefragt, wie ich meinen Kampf jetzt fortsetzen will, als Botschafterin. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich nicht geändert habe. Der Ort hat sich geändert, aber der Kampf ist der gleiche geblieben. Ich bin eine kämpferische Botschafterin!"


Barbara Gladysch,
Gründerin von “Mothers for Peace”, setzt sich aktiv für Kinder in Krisen- und Kriegsgebieten ein. Mehr Infos: http://www.1000peacewomen.org/eng/html/nominierte/treffer.php?ID=40

"
Ich soll jetzt das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse bekommen, ich habe es abgelehnt mit der Begründung, dass ich nicht von einer Regierung oder von einem Deutschland geehrt werden möchte, die die Menschenrechte bezüglich der Flüchtlings- und Asylpolitik sträflich vernachlässigen oder dagegen sogar arbeiten und die im Bereich Tschetschenien die Augen zumachen."

"Meinen Blick fokussiere ich auf die Zukunft und auf das Leben und auch auf unsere Verantwortung, die wir für die Zukunft haben. Und da gehört dazu, dass Kinder, oder die nachkommende Generation, von uns eine Menge lernen muss, und soll, und wir ein Vorbild sein sollten und ihnen zeigen sollten, wie man kämpft mit friedlichen Mitteln und wir haben die Verantwortung, die Erde den Kindern so zu überlassen, dass sie noch lebenswert ist."

"Ich reise in verschiedene Länder, Kriegsgebiete, und zwar nicht um dort humanitäre Hilfe zu leisten, sondern um dort politisch zu arbeiten."

"Ich mach auch hier in Deutschland Lobbyarbeit für die Tschetschenen, Lobbyarbeit für den Frieden in Tschetschenien und brauche da auch ganz viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter und kann eigentlich immer nur meine Stimme erheben für die Wahrheit. Es wird unglaublich viel gelogen. Und für die Gerechtigkeit."

"Ich gehe in Schulen, ich gehe in Vereine und ich erzähle und halte Vorträge und möchte anstecken, und möchte eine Menge Menschen erreichen, vor allem die jungen Menschen, die nachdenken: Wie geht man mit der Erde um, wie geht man mit uns um, was erzählt man uns, was passiert. Man ist verantwortlich nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man widerspruchslos hinnimmt."

"Hier in Deutschland, vor allem bei der Politik, bei der Art und Weise, wie wir mit Fremden umgehen, mit Flüchtlingen, mit Menschen, die hier Schutz suchen. Wie sie abgeschoben werden - ich denke jetzt in erster Linie auch an meine Schutzbefohlenen, das sind die tschetschenischen Flüchtlinge, die werden also wieder zurückgeschickt. Das muss einen Aufschrei geben."


Marianne Grosspietsch,
gründete 1992 die „Shanti Leprahilfe Dortmund e.V.“ und unterstützt den nepalesischen Schwesterverein „Shanti Sewa Griha“.
http://www.1000peacewomen.org/de/html/nominierte/treffer.php?ID=940

"Ich studierte zu dieser Zeit Theologie, und ich dachte mir, lieber Gott, der braucht Hände und nicht gute Predigten - das können andere sicher besser als ich."

"Und dann habe ich das umgesetzt, was ich von Albert Schweitzer verstanden habe: Ich bin Leben, das leben will inmitten von Leben, das auch leben will."

"Lepra bedeutet eigentlich immer durch die Gefühllosigkeit der Extremitäten: sie werden Geschwüre haben und diese Geschwüre entzünden sich und irgendwann wird der Mensch immer weiter und weiter über Amputationen dieses traumatische Erleben haben, dass er nicht mehr er ist. Und das zu stoppen, diesen Circulus Vitiosus, das war die erste Idee."

"Wir haben das Glück, in der unmittelbaren Nähe, gegenüber von diesem Tempel haben wir ein großes Hotel gemietet, und da können alle zu uns kommen, denn in unserer Satzung haben wir diesen wunderbaren Passus "Shanti Leprahilfe ist für Leprakranke in Nepal, aber auch für alle anderen Hilfsbedürftigen". Ich darf also meine Arme weit öffnen und wir können die schwerst behinderten Kinder aufnehmen und die Flüchtlinge und die verwaisten Kinder und die Mütter, die ihre Kinder nicht mehr ernähren können."

"Wir haben schwerst behinderte Kinder und ich träume immoment von einer Badewanne, in die ich sie dann legen kann, auch unsere Muskeldystrophie-Kinder, dass sie sich spüren."

"Wir haben Solar eingeführt. Wir versuchen ökologisch so behutsam wie möglich zu sein, um ein Gefühl dafür zu kriegen, diese Erde müssen wir schützen für unsere nächste Generation."

"Das ist das Ziel, das wir verfolgen. Zu suchen, dass das Individuum einen Namen hat und dass es sich in unsere Herzen pflanzt, so dass wir einen Verlust empfinden, wenn er geht."


Cathrin Schauer
, kämpft im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Deutschland gegen Zwangsprostitution und Kinderhandel an.
http://www.1000peacewomen.org/eng/html/nominierte/treffer.php?ID=1404

"Wir haben zum Beispiel in unserer Region einen ganz kleinen Ort, der hat zwei Schulen und acht Bordelle. Das ist grausam."

"Diese Frauen werden gehandelt wie Ware."

"Wir haben schon Frauen getroffen in bordellähnlichen Einrichtungen, die waren gerade mal eben 18 Jahre alt gewesen, das sind keine Frauen, das waren noch Mädchen. Die haben noch niemals das Tageslicht gesehen und die wussten überhaupt nicht, in welchen Land sie sich befinden. Die haben gesagt, dass sie davon ausgehen, dass es irgendwas mit Deutschland zu tun hat, weil die Männer, die zu ihnen kommen, allesamt deutsch sprechen."

"Wir haben dort in dieser Region auch Kinder aller Altersklassen. Ich habe 2003 ein Buch veröffentlicht (...). Ich habe in einem Zeitraum von 1996 bis 2003 insgesamt 500 Kinder in einer Grenzregion von ca. 150 km getroffen, die zum sexuellen Missbrauch angeboten oder sich selbst anbieten mussten. Dabei waren Kinder alles Altersklassen, d.h. wir wurden auch schon damit konfrontiert, dass Babies an deutsche Männer verkauft wurden zum Zweck des sexuellen Missbrauchs."

"Es macht mich betroffen und teilweise auch wütend, dass in einem hochtechnisierten und -entwickelten Zeitalter Frauen und Kinder wie Ware gehalten und wie Sklaven verkauft werden."




Ruth Weiss (l.) und Bosiljka Schedlich

Ruth Weiss, als Kind jüdischer Eltern 1936 nach Süd-Afrika emigriert, setzte sich dort gegen die Apartheid ein, heute für ein friedvolles Miteinander.
http://www.1000peacewomen.org/de/html/nominierte/treffer.php?ID=297

"
Diese Last des Schweigens: wenn die durchbrochen werden kann, dann ist doch sehr viel geleistet und in Bewegung gebracht."

"Unsere Tätigkeit ist biografisch bedingt und das ist natürlich auch meine Situation. Ich bin als Jüdin in Deutschland geboren, ich wurde als jüdisches Kind ausgegrenzt, mit diesen Erfahrungen im Hintergrund erreichte ich Südafrika, in dem ich sehr schnell feststellte, dass Millionen von schwarzen Menschen wegen ihrer Hautfarbe unterdrückt und diskriminiert wurden und werden, und das war unakzeptabel, selbst für ein Kind."

"Das andere ist, zwischen Unterdrückern und Unterdrückten eine Brücke zu schlagen und auch da können Worte helfen."

"Aber trotzdem haben auch wir die Aufgabe, den Unterdrücker zu verstehen und sich mit ihm zu verständigen. Das ist die Brücke, von der ich spreche."

"Wir haben ein Treffen organisiert zwischen 50 schwarzen Frauen und 50 weißen Südafrikanerinnen. Das war für die weißen Südafrikanerinnen ein Erlebnis, das sie nie vergessen werden. Zum ersten Mal sind ihnen Frauen begegnet, afrikanische Frauen, die sich nicht mit Jane und Jill anredeten, die also keine Dienerinnen waren, sondern die ihnen in die Augen sahen; mit denen sie per Du waren. Dieses Treffen hat viele Freundschaften ausgelöst, hat viel bewegt und viel vorbereitet."

"Ein anderes sehr wichtiges Treffen war ein politisches Treffen zwischen  südafrikanischen Rechtsgelehrten und Befreiungsbewegungsmitgliedern, die eine Rechtslehre gemacht haben. Und bei diesem Treffen wurden ganz bestimmte Stolpersteine aus dem Weg geräumt, die dann bei den späteren offiziellen Gesprächen zwischen dem Staat, der Regierung und der Befreiungsbewegung aus dem Weg geräumt waren."


Bosiljka Schedlich, geboren im heutigen Kroatien, hat 1991 das "Südost Europa Kultur-zentrum" in Berlin gegründet.
http://www.womenandlife.org/WLOE-de/themen/frieden/nobelfrauende.html

"Als Kind in Kroatien habe ich geglaubt, dass das Paradies anderswo ist· Es gab soviel Angst um mich herum. Ich kriegte wie alle Kinder, wie alle Frauen, wie alle Tiere ganz viel Prügel und es gab auch ganz viele Schlangen um uns herum. Ich wollte in eine andere Welt gehen, in der zumindest Menschen anders zueinander sind. Wo es vielleicht auch keine Schlangen gibt."

"Ich kam vor 37 Jahren nach Berlin, und Schlangen gibt es wirklich nur im Zoo."

"Es gibt aber die Gewalt um uns herum, die umso dichter an mich herantritt, umso länger ich mich hier aufhalte."

"Sie war damals schon da, aber ich hab sie nicht erkannt."

"Ich habe begriffen, dass es absolut gleich ist, wo wir uns auf dieser paradiesischen Welt befinden, die gleichzeitig eine Hölle ist, manchmal."

"Wir sind auf dem Weg zur Zivilisierung noch nicht so weit gekommen, dass wir nicht immer wieder von Neuem umkippen könnten und uns zu verängstigten Wesen verwandeln würden, die kopflos andere überrennen, andere foltern, andere umbringen, sich selbst und ihre eigenen Kinder, ihre Nächsten, ihre Liebsten."

"Was macht man mit den Menschen, die plötzlich ein bisschen anders geworden sind? Die man nicht mehr verstand, die einen selber nicht mehr verstehen wollten, obwohl wir alle dieselbe Sprache sprachen. Aber es war wie in der Ehe, wenn man sich zu streiten beginnt, dann muss man andere Dolmetscher haben."

"Ich habe gelernt, dass die Alten, die alten Menschen nicht über den letzten Krieg sprachen, sondern die sprachen über den zweiten Weltkrieg. Ich hatte das Gefühl, sie sind wie ein Glas voller Gift von damals."

"Wir haben alte Menschen gebeten darüber zu sprechen, was für sie das Wichtigste war. (...) Und diese würdigen Alten sprachen über das Wichtigste: über die Kinder. Und über das Schlimmste: über den Krieg, Während sie sprachen, liefen in allen Köpfen von Alten und Jungen Filme ab über das, was sie selbst erlebt hatten. Und es war absolut gleich, ob es in den 90ern oder in den 40ern war. Wenn das Sprechen des Zeitzeugen beendet war, konnten die Zuhörer nicht mehr steuern, ob sie sprechen werden, oder nicht. Und sie sprachen in einer Region, in der wie in den meisten auf der Welt nach wie vor die Verschwörung des Schweigens herrscht und das Aussprechen des Schlimmen so schwer fällt und fast unmöglich ist. Also sprachen sie. Nicht nur über den zweiten Weltkrieg, sondern über die 90er. Sie sprachen öffentlich."

"Was ausgesprochen ist, ist wie bei Frau Holle: das sind Federn, die man nicht mehr einfangen kann. Es bewegt sich etwas."

"Die Angst ist immer dieselbe und wir sind Gefangene der Angst, solange wir nicht eine neue Kultur des Sprechens entwickelt haben. In dieser Kultur muss es ein Paradies geben als Grundlage für die Lebensfreude, für die wir alle einen Grund haben, aber es muss auch Platz für die Hölle sein, die in uns ist."



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(pdf 2 Seiten)

Photos: Monika Stindt-Rasch/WLOE




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